28.10.24: ÜBER DIE GESICHTER deiner Kinder schieben sich zunehmend Bilder von Raserei und Kriegsgetrommel. Was dich früher auf die Straße trieb und protestieren ließ, nickst du heute resignierend ab. Menschenverachtung und Zynismus beherrschen die Machtzentren deiner Welt, die du mitträgst. Weiterlesen.
09.01.24: „WAS IST DAS, PAPA?“ „Was?“, frage ich zögerlich. „Dieser Fleck?“ „Ich weiß es nicht. Wirklich. Ich weiß es nicht.“ Aus Neugierde, aus schlechtem Gewissen, aus Verpflichtung (ich weiß es nicht), suche ich an diesem Jännerabend im Zoom den Gazastreifen. Weiterlesen.
08.02.23: DAS HAKENKREUZ PRANGTE unverhohlen am Schutzumschlag. Die erste Seite zeigte Adolf Hitler als «Führer und Gastgeber» eines sportlichen Großereignisses. Mein erster Gedanke: Weg damit in den Müll! «So etwas» sollte nicht «einfach so» rumstehen! Dann aber stockte ich. Weiterlesen.
18.11.22: ICH STREICHE ALLES. Dann fang ich von vorne an. Erstelle eine Liste mit zwanzig Figuren, die alle noch auftreten werden. Und eine Liste mit zwanzig Sätzen, die alle noch fallen müssen. Streiche wieder alles. Öffne eine neue leere Seite am Rechner (ich liebe leere Seiten! ich hasse leere Seiten!). Weiterlesen.
02.06.22: MIT BLAULICHT BOG prompt ein glänzend roter, riesiger Feuerwehrwagen ums Eck, ausgerückt zur Rettung des Piepmatzes. Fünf Männer in Uniform, mit Helm und für alles gerüstet, sprangen vom Gefährt, schritten fokussiert, mit ernster Miene, durch den Hauseingang. Meine beiden Töchter und ich staunten. Weiterlesen.
08.03.22: DAS KIEW JENER TAGE gibt es nicht mehr. Ich habe keine Ahnung, wie es Sabrina geht. Ob Flo rechtzeitig die Stadt verlassen konnte. Ob der Taxler nun in den Krieg gezogen ist, Black-Metal im Ohr. Ob die Kämpfe das Liebespaar aus der Galerie getrennt haben, während Raketen statt Lichtinstallationen den Raum queren. Weiterlesen.
09.09.21: ICH WAR VERZAUBERT, von diesem Bild einer aus Trauertränen erwachsenden Schönheit, die Schmerz vergessen macht. Wir lachten. Dann drehte sie sich abrupt zu mir, wir lagen Stirn an Stirn. Blickten uns in versöhnte Augen. (...) Weiterlesen.
21.05.21: WIR NANNTEN ES Boot. Es war Zufluchtsort, Zone partiellen Friedens, Stopp im kindlichen Spiel. Es war für uns selbstverständlich. So erklärte ich es Jahre später auch meiner eigenen Tochter: Wer «im Boot» steht, wird in Ruhe gelassen. Nur musste ich gestern erfahren: In Wien gibt's gar keins. (...) Weiterlesen.
09.03.21: DANN REIMEN WIR weiter an dieser Welt. Im Reimen entstehen neue Zugänge. Im Reimen zerfallen alte Schemata. Jeder Reim, der sich querstellt, zur Welt, ein wunderbar renitenter Versuch, es besser, es anders zu machen. Das ist ein Versprechen. Das hält. (...) Weiterlesen.
04.02.21: MEINE ZWEITE TOCHTER ist geboren. Wir sind wohlauf. Natürlich. Wir straucheln immer wieder, wünschen uns Zeitfenster der Ruhe, merken zugleich, wie wichtig Gelassenheit und Reflexion sind – was ist schon eine mit Schoko-Fingern beschmutzte Wand angesichts einer beschissenen Asylpolitik? (...) Weiterlesen.
01.07.20: MEINE TOCHTER KENNT nun das Wort Mund-Nasen-Schutz. Sie hat gelernt, vor Eintritt in den Kindergarten die Hände zu desinfizieren. Sie hat vor geschlossenen Spielplätzen rebelliert und den Appell Nicht-Berühren meist befolgt. Die befürchtete Phobie vor Allem und Jedem ist ausgeblieben. (...) Weiterlesen.
03.03.20: SIE LACHE MEHR als früher, verstecke sich weniger, denke politischer und mache plötzlich Yoga. Wenn sie mit der Tochter in Kiew telefoniert, fallen manchmal Schüsse im Hintergrund. Aber so sei das Leben. Wir, in der Ukraine, sind es gewohnt, zu improvisieren! (...) Weiterlesen.
07.10.19: ES FOLGEN ZORN und Krawall. Was ich mir einbilde, nun den Raum zu verlassen! Eskalation liegt in der Luft. Ich reagiere (was fatal ist) mit Kälte. Lasse sie protestieren und schalte auf stur. Jetzt wird sie körperlich. Wenn Kinder an dir zerren und du zu wenig Koffein intus hast, reizt das die Grenzen aus (...) Weiterlesen.
06.06.19: DIE DORFBÜHNE IST unterschätzt. Man schreibt ihr Dilettantisches zu, Laienhaftes. Nennt's Amateurkunst und sagt's immer mit der Nase oben – denn Theater, DAS Theater der Kunst fände doch im Urbanen statt mindestens in Grazlinzsalzburg, wenn nicht erst, da ist sich's einig, das Feuilleton, in Wienmünchenberlin (...) Weiterlesen.
06.03.19: NEBENSÄCHLICHES WIRD BEDEUTSAM. Denn sie deutet darauf. Macht sich in ihrem Eigensinn verständlich. Mündigkeit (langsam, doch beständig)! Denn mit dem Zeigen einher geht der Versuch ihrer Zunge, die Laute mehr und mehr zu differenzieren. Wer Welt zu deuten lernt, erringt die Fähigkeit zu unterscheiden (...) Weiterlesen.
25.04.18: EINS DER GEDICHTE geht so: Als die Soldaten keine Lust mehr hatten, gingen sie heim und aßen Frittaten. Da zürnte der König, weil die Soldaten kein Schießgewehr hatten und schrie: Zu den Waffen, ihr kriegsfaulen Affen. Doch die Soldaten, gestärkt mit Frittaten (...) Weiterlesen.
20.12.17: ICH SCHAUE DERWEIL der Muttermilch zu, wie sie oben von der Ampulle durch den dünnen Schlauch nach unten tropft. Ich frage mich, was ich nun tun kann, was ich meiner Tochter geben kann, abseits der Milch, die ihre Mutter für sie abgepumpt hat (...) Weiterlesen.
06.09.17: VOR EINEM JAHR verachteten wir einen amerikanischen Präsidenten, der eine Mauer bauen wollte, und heute beginnt ein Mauerbau in Afrika, von uns mitfinanziert, zum Schutze Europas. Und sie verschieben sich weiter, die Relationen (...) Weiterlesen.
03.05.17: NACH LINKS, NACH rechts, ich wendete erneut, verlor den Halt, ein Stürzen fast, der Atem brach mir ab. Schnappte nach Luft, du kannst das, schnappte Mut, und schaffst das! Weiter also. Wollt die Sprach noch nicht verloren wissen. Kletterte auf Berge (...) Weiterlesen.
14.03.17: SIEHST DU SIE? Nur schwer mit freiem Auge, zu weit sind sie uns weg. Aber im Teleskop. An jedem Tag, in jeder Nacht, ziehen sie die Kreise. Da. Die beiden Monde auf der Umlaufbahn des Mars. Das sind sie: Angst und Terror, Phobos und Deimos. Söhne eines Vaters der Gewalt (...) Weiterlesen.
02.02.17: DIE AUGEN IN der U-Bahn sind damit beschäftigt, den Fokus nicht zu verlieren, die Balance im Leben. Muss ich mich denn immer um die Welt kümmern? Mit diesen Gedanken im Kopf bin ich letzte Woche durch Deutschland gefahren, Paul Austers Winterjournal als Hörbuch bei mir (...) Weiterlesen.